Mutprobe mit Bleistift | Illustrationen von Tine Schulz, Rostock

Mutprobe mit Bleistift

Vernissage | Freitag | 11. März 2022 | 18.00 Uhr
Ausstellungsdauer | 13. März – 8. Mai 2022

www.tineschulz.com


1. Bürgermeister Hans-Peter Baumann und Tine Schulz vor einer Illustration aus „Alle da“

Swanti Bräsecke-Bartsch zur Ausstellungeröffnung am 11. März 2022

Mutprobe mit Bleistift?

Es ist einfach die Frage danach, ob man auf dem richtigen Weg ist, mit dem was man tut. Was wir hier in der Ausstellung sehen, zeigt zweifellos, dass Tine Schulz‘ Wegwahl ein Glück für uns ist.

Illustrationen, Kinderbuchillustrationen stehen mit Tine Schulzes Arbeiten im Mittelpunkt dieser Ausstellung. Die Liste der Verlage ist lang, bei denen bereits von ihr bebilderte Bücher erscheinen.

Kinderbücher – ich meine, jeder von uns hat da wohl sofort Bilder im Kopf. Erinnert sein Lieblingsbuch, die Lieblingsgeschichte und -figuren, egal wie und wo wir aufwuchsen, gab es Bilderbücher, die unsere Wahrnehmung beeinflussten. Was wäre der Räuber Hotzenplotz ohne die Illustrationen von Franz Joseph Tripp oder die Raupe Nimmersatt ohne die Bilder von Eric Carle? Werner Klemkes Hirsch Heinrich oder die von ihm illustrierte Ausgabe der Grimm’schen Märchen gehörten vom Thüringer Wald bis zur Ostseeküste in fast jeden Haushalt. Unvergesslich der kleine Angsthase von Elisabeth Shaw und Erika Kleins Figur der Tuppi Schleife. Was wäre Tomte Tummetott ohne Harald Wiberg oder Bullerbü ohne Ilon Wikland? Was wäre Findus ohne Sven Norqvists überbordende Mucklawelten, der Grüffelo ohne Axel Scheffler, die Werkstatt der Schmetterlinge ohne Wolf Erlbruch…unbedingt stellvertretend noch zu nennen – Heidrun Boddin und Rotraut Susanne Berner.

Und Tine Schulz reiht sich ein in diesen Reigen von Künstler*innen, deren Bilder einem irgendwann nicht mehr aus dem Kopf gehen, weil man in diesen Bildwelten versank, Abenteuer bestand, auf Entdeckungen ging und sich gleichermaßen zu Hause fühlte. Denn Lieblingsbücher werden wieder und wieder gelesen angeschaut, auswendig aufgesagt, man kann sie einfach nicht lassen uns so werden sie oft, ohne dass es einem bewußt ist, Begleiter für ein ganzes Leben. Da nützt es gar nichts, dass man den Kinderschuhen entwachsen ist.

Vielleicht wird der kleine Drachen aus „Zuhause gesucht“ einer dieser Begleiter oder die Familie Rübe. Mit der Ausstellung können wir Tine Schulz beim Arbeiten über die Schulter schauen, wenn sie skizziert, Ideen notiert. Wir können miterleben, wie mit schnellen Bleistiftskizzen erste Figuren entstehen, die dann mit Hilfe von Feder und Tusche oder Fineliner mehr und mehr an Kontur gewinnen. Wie die Farbgebungen erprobt werden und die endgültige Fassung entsteht.

Alles geschieht, so scheint es, mit Leichtigkeit. Man hat das Gefühl, Tine Schulz kann gar nicht so schnell zeichnen wie die Ideen, ihre Phantasie hinauswollen auf‘s Papier. Diese scheinbare Leichtigkeit basiert auf künstlerischem Können, der Sicherheit im Zeichnen, dem Gefühl für Formen und Proportionen, für Farbe, dem schnellen Erfassen von Bewegungen und Details und deren Umsetzung. Sie beherrscht dieses Handwerk und kann damit spielen und neue Welten schaffen.

Diesen Prozess können wir hier in der Ausstellung zu den Büchern „Zuhause gesucht“, „Wilma Wackelzahn“, „Alle da“ und „Schlafen wie die Rüben“ miterleben. Den Weg zu Tine Schulz fand ich durch „Alle da“. Das Puppentheater Gera/Altenburg hat diese Geschichte als Puppenspiel umgesetzt und Tine Schulzes Figuren auf die Bühne gebracht.

Der Plan, durchkreuzt durch die Pandemie, war ursprünglich, parallel zur Ausstellung ein Gastspiel des Puppentheaters in Schwarzenbach zu organisieren. Ich hoffe, dass sich das nachholen lässt. An der Stelle Näheres zu den vorgestellten Büchern bzw. Illustrationen.

„Alle da“ vermittelt auf sehr charmante und unaufdringliche Weise, dass wir Menschen alle einen gemeinsamen Ursprung haben, uns Freuden, Ängste und Alltäglichkeiten verbinden. Das Buch ist ein Appell an Toleranz und friedliches Miteinander der Menschen. Angesichts des Ungeheuerlichen, das wir gerade erleben – Krieg in Europa, Flucht und Vertreibung, humanitäre Katastrophen um und im Mittelmeer mahnen so vermeintlich kleine Dinge wie ein Kinderbuch einmal mehr an unsere Verantwortung als Mitmenschen.Tine Schulz nimmt sich des Themas mit Witz und Warmherzigkeit in detailreichen und im positiven Sinne hintersinnigen kleinen Zeichnungen an. Diese Reise durch die Kulturen kommt nicht mit erhobenem Zeigefinger daher, weder in Text noch im Bild, es darf gelacht, aber nicht ausgelacht werden.

Viel Spaß beim Anschauen bereitet „Zuhause gesucht“. All die Charaktere, die hier perfekt eingefangen sind. Man kann die angesenkten Haare der „sehr ordentlichen Frau“ riechen und leidet mit dem kleinen Drachen… bis zum erlösenden Happy End.

Bestätigung und Anerkennung für ihr künstlerisches Tun erfuhren die Autoren und Tine Schulz für ihr gemeinsames Buch „Schlafen wie die Rüben“. Textlich und zeichnerisch ein Kleinod. Die Stiftung Buchkunst kürte das Buch 2021 u. a. zum „Schönsten Buch“. Mit Witz, Ausgelassenheit tobt die Familie Rübe samt Esel Olga den Federn entgegen. Perspektive und Schwerkraft verlieren hier ihre Wirksamkeit. Geht nicht, gibt es nicht. Unglaublich das Leben zwischen diesen Buchdeckeln. Die mit Pinsel eingefangenen Protagonisten bewegen sich in einer auf drei Farben beschränkten Welt. Es ist ein mutiges Buch, da Autoren und Illustratorin sich absolut treu bleiben, es ist wild und verrückt und ausgelassen und wunderschön. Ich wünsche ihm viele begeisterte Leser*innen.

Doch jetzt möchte ich Sie nicht länger davon abhalten, selbst zu schauen, das Gespräch mit Tine Schulz zu suchen. Viel Freude beim Gang durch die Ausstellung!

Eine Auswahl an Büchern, die Tine Schulz illustriert hat.

Frankenpost | Lokale Kultur | 14. März 2022