Günther Wolfrum (1948-2020) | Presseck
Die blaue Wolke | 2002 | Tempera/Zeichnung
Vernissage | Freitag | 12. Juli 2024 | 18 Uhr
Begrüßung: Hans-Peter Baumann | 1. Bürgermeister
Laudatio: Dr. Birgit Rauschert | Kunsthistorikerin | Nürnberg
Musik: Jake & The Blades | Marktredwitz
Ausstellungsdauer | 14. Juli – 8. September 2024
Sonntag | 21. Juli + Sonntag | 25. August 14 – 17 Uhr geöffnet
Vernissage am 12.7.2024
Pressemitteilung
Im Untergrund verwoben…
So der Titel der Ausstellung die am vergangenen Freitag in der Kunstgalerie Altes Rathaus in Schwarzenbach an der Saale eröffnet wurde. Zu sehen sind farbintensive Arbeiten, insbesondere Landschaften, des 2020 verstorbenen Künstlers Günther Wolfrum aus Presseck. Die Landschaftsmotive zeichnete und malte der Künstler meist aus bereits farbig grundierte Papiere. Mal geschah das mit leichtem, aber kraftvollem Pinselstrich und unter Verwendung von Komplementärfarben oder aber filigran gezeichnet in fast monochromer Farbigkeit. Wolfrum ging es zunehmend, um die allem zugrunde liegenden geometrischen Formen und Strukturen. So entstanden keine bloßen Abbilder des Gesehenen, sondern eher Seelenlandschaften.
Man meint, durch ein Prisma auf das Dargestellte zu schauen, ein Prisma, in dem sich
Farben, Licht und Linien brechen. Frau Dr. Birgit Rauschert formulierte es in ihrer Laudatio so, „…so wurde ab der Jahrtausendwende sein Malen universell. Das bedeutet, es war gleichgültig, wo das Vorbild in der Realität lag, das Bild war es, das zählte. …Nun gelangen ihm Studien, die meisterlich sind in ihrer klassischen Poesie und Schönheit.“ Ein Hinweis an Einheimische – es gibt in der Ausstellung ein Schwarzenbacher Stadtmotiv jenseits des Malerwinkels zu entdecken. Auch Industriebauten wie die Färberei am Saaleufer sind es wert, gesehen zu werden.
Musikalisch bereicherten die vier Musiker von Jake and The Blades, darunter ein ehemaliger Studienkollege Wolfrums, Robert Steidl, mit lässig präsentierten Country- und Folk-Songs, die Eröffnung.
Swanti Bräsecke-Bartsch
Laudatio von Dr. Birgit Rauschert, Nürnberg
Liebe Frau Wolfrum,
sehr geehrter Herr Bürgermeister,
liebe Frau Bräsecke-Bartsch,
verehrte Freunde und Gäste aus Schwarzenbach an der Saale und aus der Region,
vor allem aber Günther Wolfrums ehemalige Studienkollegen von der Nürnberger Akademie der Bildenden Künste, der Musiker Robert Steidl sowie Erwin Badmüller, die an der Fachhochschule Selb unterrichteten: seien Sie alle sehr herzlich willkommen geheißen zur Eröffnung der Ausstellung der Werke des Malers und Grafikers Günter Wolfrum.
Bevor ich auf die Umstände seines Lebens, das 70 Jahre umfasste, zu sprechen komme, möchte ich einen Satz Renate Wolfrums zitieren. Nach mittlerweile vier Stationen – dies ist die fünfte – einer Wanderausstellung mit wechselnden Arbeiten des Künstlers, alle unter seinem Lebensmotto „Im Untergrund verwoben…“, fiel es mir schwer noch etwas Neues über ihn und seine Arbeiten zu sagen, das nicht bereits gesagt worden wäre. Ein Satz von seiner Muse und Partnerin aber blieb mir im Gedächtnis: „Künstler sehen die Welt mit anderen Augen.“ Bis zu seinem Tod im Jahr 2020 lebte er im sogenannten „Kreuzknockhaus“ in der Nähe von Presseck. Hier befindet sich heute eine Art Gedenkstätte: sein Atelier und das Wohnhaus, in dem seine Frau Renate nach wie vor wohnt. Hier entstand sein Lebenswerk, Gemälde, Radierungen, Zeichnungen, aber auch eine riesige Bibliothek mit der Spezialabteilung von Comics und Graphic Novells, die er seit seiner Kindheit las und sammelte.
Dabei mag der Wunsch entstanden sei, es ebenfalls zu versuchen und Comiczeichner zu werden. Seine Ausbildung begann in Karlsruhe als Chemigraf. Dieser heute ausgestorbene Beruf ließ ihn einsteigen in dieses Metier, das bis heute so schwierig ist, was die materielle Seite betrifft. Noch nach der Lehre ging er an die Pforzheimer Fachschule für Gestaltung, fand Lehrer, die ihm weitere Techniken vermittelten, besuchte in Basel weitere Kurse und arbeitete sich langsam und stetig durch die Kunst und ihre Geschichte. Er dockte an: Künstlerisch beim Impressionismus, den er bewunderte, allen voran dem Vater der Moderne, Paul Cézanne. Privat bei Renate Lichter, eine Bekanntschaft aus der Tanzstunde, die ihn seither durch alle Höhen und Tiefen eines Künstlerlebens begleitete. Die Wahl, von Karlsruhe, der lichten und reichen „Fächerstadt“ mit ihren Museen und Sammlungen zurückzugehen in den Frankenwald, wo Wolfrum 1948 geboren wurde, war entscheidend. Er wählte den Ruf Rosseaus: „Zurück zu Natur!“ als Wahlspruch seines Künstlerlebens, das er von 1974 an in einer Einöde, dem so genannten „Kreuzknockhaus“ bei Schnebes verbrachte.
Wie diese Wahl auch seine Kunst bestimmte, wird erste heute in der Rückschau deutlich: Er wurde nach Anfängen als Illustrator von Fabeln, Erzählungen und Romanen wie Cervantes „Don Quichiotte“ zum Landschaftsmaler, „Landschafter“ wie der Fachbegriff heißt, und damit zur Nachfolger einiger namhafter Vertreter dieses Genres, die es in Oberfranken bereits lange vor ihm gegeben hatte. Das Sehen, das die Künstler auf ihre Weise tun, wurde für ihn zur Passion.
Während seine Frau in Kulmbach als Schulsekretärin arbeitete, war er nach einiger Zeit wieder im Außen: Gerade die Akademie in Nürnberg scheint ihm einen „Kick“ gegeben zu haben, der ihn zum Spezialisten werden ließ. Clemens Fischer, sein damaliger Lehrer, riet seines Studenten stets „weich, aber bestimmt“ zu malen. Eigentlich erhielt Günther Wolfrum erst hier seine malerische Lehre, die vor allem den Umgang mit der Farbe beinhaltete. Wieder Cézanne: Wie dieser die Eindrücke der Natur in Flecken und geometrische Flächen teilte und neu verband, wurde wegweisend. Immer mehr entfernten sich die Werke Wolfrums vom Naturabbild zum eigenständigen Kunstbild. Hießen die Bilder, die er malte vormals noch „Schnebes“ oder „Seubethenreuth“, so wurde ab der Jahrtausendwende sein Malen universell. Das bedeutet, es war gleichgültig, wo das Vorbild in der Realität lag, das Bild war es, das zählte. Ganz abstrakt wurde er allerdings nie: Auch in der „Blauen Wolke“, eines dieser ortlosen und universellen Spätwerke, ist sie noch sichtbar, die blaue Wolke. Nun gelangen ihm Studien, die meisterlich sind in ihrer klassischen Poesie und Schönheit.
Zwei Dinge sind es, die uns für die Werke Wolfrums begeistern: Sie werden nicht älter, bleiben so frisch wie sie zum Zeitpunkt ihrer Entstehung waren. Man sagt: „Sie sind klassisch“, so wie die klassische Moderne mit Cézanne und den vielen anderen vor mehr als 150 Jahren nie zu altern scheinen. Und sie bilden, wie die Natur selbst, ein Reservoir an Energie, die uns, den Betrachtern oder Rezipienten, zukommt. Wer einmal einen Waldspaziergang bewusst gemacht hat, kennt die Kraft, die man daraus schöpfen kann („Waldbaden“). Ähnlich verhält es sich mit klassischer Kunst, die im täglichen Umgang ein Zimmer oder eine Wohnung erst zu einer Umgebung macht, die unsere eigene Individualität zum Ausdruck bringt. – Gerade, wer – ich nehme an, die meisten von Ihnen – das mit echten Werken erlebt hat, weiß, was ich meine: Es ist Lebensenergie und dadurch auch Lebensqualität, die wir im Umgang mit Kunst gewinnen. (Bei Büchern ist es genauso)… Die universelle Sprache von Kunst hilft, den oft banalen, oft auch harten Alltag leichter zu bewältigen, Energie zu schöpfen, auszuruhen und aufzutanken im wörtlichen Sinn.
Die Wirkung der Farbe auf die Seele des Betrachtenden ist längst eine psychologische Erkenntnis, die nach meiner Meinung allerdings noch viel zu wenig in die Medizin einfließt. Denn ihre Wirkung ist unbestritten. – Ähnlich ist es mit der Musik. Die Natur, die Kunst, die Musik, Literatur, – alles, was wir als „Kultur“ bezeichnen und die kein Gegensatz, sondern ein Teil der Natur ist, gewissermaßen eine „zweite Natur“ nach der „ersten“, von der Hegel sprach, braucht der Mensch als Nahrung für seine oftmals senible Psyche, die nicht allein vom Brot lebt. Diese feinen Nuancen spricht Wolfrum mit seinen Farben und Formen an. Sehen, ein Vorgang, den Künstler auf einzigartige Weise beherrschen, ist eine Kunst wie das Leben selbst. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen heute Abend neben den Seh-Erlebnissen, kulturelle Hör-Erlebnisse mit der Musik von Robert Steidl sowie zahlreiche anregende Gespräche über die Kunst und andere Dinge…
Die Ausstellung ist hiermit eröffnet.