Begegnungen | Holzschnitte von Konrad Schmid | Hartkirchen

 

das vollkommenste gleicht unvollkommenen
und vergeht doch nie
die größte fülle gleicht leerem
und versiegt doch nie
(Lao Tse | Tao Te King Kap. 45)

Genaues und geduldiges Beobachten. Konzentration auf das Wesentliche. Weglassen können – machen den Reiz, die Magie der Holzschnitte von Konrad Schmids Hand, aus.

Linien fließen, fallen, steigen auf, berühren sich, streben voneinander weg, verlieren oder verdichten sich – bilden Strukturen.

Sind die Linien Anfang oder Ende, Schatten an der Wand, eine Spiegelung, sind es Risse oder Schrammen, sind es Fragmente geheimnisvoller Zeichen, die zu entschlüsseln unsere Aufgabe ist oder ist es einfach Zufall… ?

Flächen, die Leere zwischen den Linien, geben diesen – Raum, Halt, Hintergrund, Projektionsfläche.

Wir als Betrachter nehmen die Linien in der Fläche wahr und transformieren diese in unserer Vorstellung zu Landschaften, da werden Linien zum Horizont, zu Wegen, zu Bewegung, liegt da ein Zweig im Schnee, schauen wir in Schilf oder sehen wir die Kontur eines Tieres, eines menschlichen Körpers? Es ist unser individuelles Erleben, es gibt kein Richtig oder Falsch.

So reduziert die Formensprache, so sparsam ist der Einsatz von Farben, dominierend der Kontrast von Schwarz und Weiß. Ab und an spielt sich das Geschehen auf einer leicht, nur schwach wahrnehmbar farbigen Fläche ab, sofort verstärkt das Zufügen des Elements Farbe unsere Imaginationen, der Hintergrund wird zur Bühne – ist da Nebel, ein Schleier hinter dem sich eine weitere Welt auftut, vielleicht, uns verborgen…

Mit dem Holzschnitt hat Konrad Schmid die Technik gefunden, die ihm die besten Möglichkeiten gibt, sich künstlerisch zu artikulieren.
Was manchem als banal anmuten mag – einfach Linien auf einem Blatt – ist so viel mehr …

Es ist Können, ein Format so zu gestalten, dass ein Gleichgewicht entsteht. Jede Linie ist genau austaririet. Dazu der Duktus der Linien, der beim Schneiden des Holzes entsteht, auf- und abschwellend, mal hauchzart, mal kräftig, mal laut, mal leise, mal weich, mal hart…

Doch auch das Holz selbst teilt sich mit, durch Maserung der Oberfläche oder – stammt das Holz von einem alten Möbel oder einer Tür, werden dessen Gebrauchsspuren – Schrammen, Dellen, Abdrücke, Abschürfungen – man kann sagen, Lebenslinien sichtbar und geben der jeweiligen Arbeit noch eine weitere Ebene.

Und dann der Vorgang des Druckens – von Hand wird das Papier abgerieben, der Druck der Hand variiert. Die Struktur, die in den Binnenflächen zwischen den Linien durch das Schneiden bleibt, spricht mit. Der ganze Vorgang erfolgt konzentriert, meditativ. Während diesen Tuns entstehen vorm geistigen Auge des Künstlers neue Sichtweisen, Motive, Ideen, die nach Umsetzung drängen, in Skizzenform notiert werden.

Die Ruhe, die dem gesamten Entstehungsprozess eines Holzschnittes in Konrad Schmids Werkstatt innewohnt, spüren wir, wenn wir inmitten dieser Arbeiten stehen, wenn sie uns umschliessen, unseren Blick auf sich ziehen, uns den Alltag vergessen und den Gedanken freien Lauf lassen.

 

Swanti Bräsecke-Bartsch | Schwarzenbach an der Saale | 10. Juli 2020