Alfred Richter – ein Rückblick zum 90. – Arbeiten von Alfred Richter, Wunsiedel / Schwarzenbach a.d. Saale und dem Atelier Scherdel, Oberkotzau

Eröffnung der Ausstellung am 30. Juni 2017 um 18 Uhr

Begrüßung: Barbara Muck, Leiterin der Galerie
Einführung: Hans-Eckart Scherdel
Musik: "swing en bloc"
Eröffnung: Hans-Peter Baumann, 1. Bürgermeister der Stadt Schwarzenbach a.d. Saale

Ausstellungsdauer bis 3. September 2017

Öffnungszeiten: sonntags von 14 bis 16 Uhr
Wiesenfest-Sonntag - 16. Juli 2017 - 14 bis 17 Uhr
oder nach telefonischer Vereinbarung mit der Stadt Schwarzenbach a.d. Saale
Telefon 09284 / 933-31

Rede zur Einführung in die Ausstellung von Hans-Eckart Scherdel:

Ausstellungseröffnung
„Alfred Richter – ein Rückblick zum 90.“
am 30. Juni 2017

Meine sehr verehrten Damen und Herren,
liebe Kunstfreunde beiderlei Geschlechts,

neun Jahre wird es wohl her sein, da stand ich an gleicher Stelle hier in der Galerie und sprach über einen Künstler Namens Richter– es ist Anton Richter gewesen, nicht verwandt mit dem Richter, um den es nun heute gehen soll: Alfred Richter:

Mitglied im Berufsverband Bildender Künstler,
Träger der Goldenen Ehrennadel der Industrie- und Handelskammer Bayreuth,
Träger der Stadtmedaille der Stadt Schwarzenbach/Saale,
langjähriger Kurator der „Ausstellung Schwarzenbacher Maler“.

(Ich gebrauche bewusst die Bezeichnung „Kurator“, denn die lateinische Bedeutung des Wortes steht ja für einen, der sich um etwas kümmert, etwas umsorgt, und das hat Alfred Richter mit bewundernswertem Einsatz verantwortungsvoll getan! Andere Städte haben übrigens diesen Terminus für vergleichbare Tätigkeiten längst im sprachlichen Repertoire).

90 Jahre wäre er in diesen Wochen geworden, der Alfred Richter.
Wie gerne hätten wir ihn bei dieser Ausstellungseröffnung noch bei uns gehabt!
Aber – so fern ist er uns in diesen Momenten gar nicht, denn viele von uns haben ihn gewiss im Herzen mit hierher gebracht!

Und ein weiteres „Aber“.
Ich bin mir gar nicht so sicher, ob unserem Künstler diese Gedächtnisausstellung mit all ihrem Drumherum so willkommen gewesen wäre. Habe ich ihn doch stets als einen Malerfreund kennen lernen dürfen, der weder um seine Person noch um sein Werk je ein großes Bohei gemacht hätte. Er hat es verstanden, sich stets zurückzunehmen. Seine vornehme Bescheidenheit nahm für ihn ein. Wie es halt oft so ist, wirkliche Könner bedürfen nicht großen Getues. Alfred Richter ist einer von ihnen gewesen.

Dachrinnen, Fallrohre, konische Zwischenstücke, Wasserleitungsrohre und Blechdächer – das hätte Alfred Richters Welt nach den Vorstellungen seines Vaters werden sollen – wurde es aber nicht!
Die Werkzeuge des Zeichners lagen ihm weit besser in der Hand als das gesamte Gerät der Flaschnerwerkstatt.

Die Wirren der Nachkriegszeit haben Alfred Richter nach Schwarzenbach geführt.
Da bestritt er seinen Lebensunterhalt zunächst mit dem Entwerfen von Holzspielzeug und wenn ich nicht ganz falsch liege, war die Produktionsstätte für simpelste Holzspielsachen sogar ganz in der Nähe dieses Hauses hier. Da gab es eine kleine Werkstatt „von Aesch“. Eine andere, auswärtige Abnahmemöglichkeit für seine Entwürfe kann ich mir eigentlich nicht vorstellen.
Befriedigt wird ihn diese Tätigkeit wohl nicht haben.

Es war ein Glück für ihn, dass er eine Anstellung in der Werbeabteilung des Hofer Kaufhofes fand, wo er sein gestalterisches Potential in einem weiten Rahmen des Handwerklichen entfalten konnte. Diese Tätigkeit wurde schließlich sein Brotberuf.

Damals schon bewies der Werbezeichner auch durchaus gute Qualitäten im plastisch – Dekorativen, als er im Jahre 1961 beim größten Faschingsumzug Oberfrankens einen der 60 Wagen gestaltete.
Als Künstler, der er im tiefsten Herzen sein wollte, fühlte er sich dabei eher nicht – zunächst! Er, der Autodidakt, der er im künstlerischen Bereich war, begann schließlich zu malen und recht schwungvoll zu zeichnen. Dabei entstanden zuerst Aquarelle, dann gab es auch Versuche mit Ölfarben. Schließlich arbeitete er auch in Temperatechnik, mit der er glaubte besser zurechtzukommen, vielleicht, weil die Farben rascher trockneten, man die endgültige Farbwirkung schneller beurteilen konnte und so Korrekturen spontaner anzubringen waren.

Immer  wieder wurde er von Zweifeln an seinen Fähigkeiten gequält und schließlich nahm er sich den Mut,  ging zum Altmeister Anton Richter, schilderte ihm seine Gefühle der Unzulänglichkeit und bat um eine Empfehlung für eine geeignete Kunstakademie. Anton Richter sagte zum jungen Malerkollegen: „Du brauchst keine Kunstakademie, du kannst doch schon alles!“

So ermutigt ging Alfred Richter nun ans Werk. Er entdeckte für sich drei wegweisende Rezepte zum Erfolg:
Rezept 1: arbeiten,
Rezept 2: arbeiten,
Rezept 3: arbeiten,
um ein Werk zu hinterlassen.

Und er ging seinen von harter Selbstkritik gezeichneten Weg ohne Unterstützung und ohne Protektion.
Bald durfte er sich über anerkennende Stimmen in der Presse freuen.

Im Jahre 1964 schreibt ein Kritiker, namentlich nur mit K. K. signierend, im Hofer Anzeiger:
… Seine Landschaften zeigen, dass er ein tiefes inneres Verhältnis zu seiner neuen Heimat gefunden hat.
… allerdings geht er hier weniger den gegebenen, gefälligen äußeren Zügen nach, sondern beschäftigt sich viel mit dem Kargen, Herben, das ihr anhaftet.
So fesseln ihn besonders alte Dorfwinkel, eine abseits liegende Straße und ähnliche Vorwürfe. Man spürt vor allem in der Farbgebung der Aquarelle, dass diese Bilder in erster Linie Aussagen von seelischen Auseinandersetzungen des Künstlers mit sich selbst sind. Sie und auch die Bilder in Öl verraten ein bemer­kenswertes Wollen, dem es keineswegs an überzeugender Aus­druckskraft fehlt. Man sollte der Entwicklung Alfred Richters weiter Aufmerksamkeit schenken.“

Manches von dem, was in den ersten Schaffensjahren entstand, trägt zweifellos Merkmale des Stils von Anton Richter, manchmal ist auch ein klein wenig Bedal dabei, aber das sollte nicht lange währen. Er hatte sich sehr bald freigeschwommen und begann völlig neue Wege, weitab vom Bisherigen zu beschreiten.

Das einmal Erreichte, der Status des soliden „Landschafters“, befriedigt Alfred Richter bald nicht mehr. „Ich kann nach der Natur malen, aber das ist perfektioniertes Handwerk, ab da geht das Schöpferische los“, erkennt er. Seinem Gestaltungswillen genügt es nicht mehr, Landschaf­ten wie „buntgemalte Fensterläden“ abzubilden. Er sucht einen Weg, seine inneren Landschaf­ten bildnerisch zu erfassen. Alfred Richter beginnt mit verschiedenen Techniken zu experimen­tieren, bis es ihm schließlich gelingt, jene großformatigen Tuschebilder zu schaffen, die, wie es ein kompetenter Kritiker formulierte, vom „Richterstil“ geprägt sind.

In der Frankenpost war 1964 zu lesen:
„Vor den Bildern Richters steht man mit einiger Überraschung. Seine fränkischen Landschaften, früher ausschließlich in erdigen Tönen gewebt, sind plötzlich von bunten Fäden durchzogen: rosa, blaugrün.
Auch von der Strenge der Formen lässt er sich nicht mehr binden…
… er ist im Begriff, sich aus der seinen früheren Werken anhaftenden Melancholie zu befreien.“

Ich zitiere weiter auszugsweise aus einem Bericht der Frankenpost im Jahre 1965:
„Das Hochziel der schaffenden Künstler und Kunstmaler (sic!), einmal mit einem Werk im „Haus der Kunst“ in München vertreten zu sein, hat in diesem Jahr … Alfred Richter erreicht. Wenn man bedenkt, dass alle aus dem Raum Coburg – Selb – Bayreuth- Lichtenfels – Hof eingereichten Arbeiten bis auf die des gebürtigen Sudetendeutschen Alfred Richter ausgesondert (sic!) wurden, so kann man ermessen, welche hohe Auszeichnung dem 38 Jahre alten Künstler zuteil wurde.

… sein Werk wurde von der Jury und Ausstellungsleitung nicht in irgendeinem toten Winkel des monumentalen Kunsthauses ausgestellt sondern es hat einen beachtlichen Platz in einer Mittelkoje.
… Alfred Richter ist in stiller Arbeit in seinem Schwarzenbacher Atelier durch Fleiß der große Wurf geglückt.“

Es ist vorhin die Rede von Richters Tuschebildern gewesen, von seiner ureigenen Erfindung. Worum ging es bei dieser sehr speziellen Technik, mit der sich der Künstler profilierte und sich breite Anerkennung erwerben konnte?
Richter verwendet nasse Offset-Plakatpapiere (mitunter rückseitig bedruckt!), manches Mal auch dünnere Seidenpapiere, durchnässt sie, zerknittert sie, entfaltet das nasse Papier und  legt es auf einen festen Untergrund. Sofort aufgetragene farbige Tusche, deren Töne auf der feuchten Fläche gemischt werden, bilden entsprechend verdünnt, reizvolle Übergänge oder erzeugen Lasur- und Transparenzwirkung. Beim Auftrocknen entsteht, von den Knitterstellen ausgehend, zudem eine hell oder dunkel modifizierte sehr reizvolle Strukturierung der Fläche.
Durch einen abschließenden Lack­überzug wird das Ganze dann in  der Endform fixiert.

Richter sagt zu seiner Papier-Knittertechnik:
„Ich habe immer Angst vor einem glatten, weißen Papier.
Aber wenn diese Brüche und Risse darauf sind, dann bin ich inspiriert. Die Energie, die von den vorwärts treibenden Bruchspuren ausgeht, die reißt mich im Malprozess mit.“

Victor Hugo, der französische Dichter des 19. Jhds. empfindet übrigens das von der weißen Fläche ausgehende Faszinosum in ähnlicher Weise.
Er allerdings interpretiert die Unberührtheit des Papiers als Aufforderung zu spontaner Aktion: „Wenn da schon ein weißer Bogen ist, warum soll man nicht ein Wort darauf schreiben?“

Das Ergebnis des kreativen, vielleicht auch aleatorischen, zufallsgesteuerten Prozesses weicht naturgemäß von den üblichen Sehgewohnheiten ab.
Richter hat sich vom Gegenständlichen gelöst, er arbeitet „abstrakt“, bleibt der reinen Abstraktion aber nicht um jeden Preis verhaftet, sondern nähert sich in seiner späteren Entwicklung auch immer wieder den Parametern seines früheren Gestaltens.

Ralf Sziegoleit bringt diese Wandlungen im Hofer Anzeiger auf den Punkt in einer Darstellung vom Juli 1975:
„Besondere Aufmerksamkeit hat wieder einmal Alfred Richter verdient.
Seine fünf Bilder sind ein schöner Nachweis seiner neuen Vielseitigkeit, die sich inhaltlich wie formal und farblich nieder­schlägt.
Neben funkelnden, an Orphismus und Kubismus orientierten Bildräumen magischer Traumvisionen gibt es nun sogar wieder ein Dorf zu sehen – um viele Erfahrungen reicher kehrt Richter zum Ausgangspunkt zurück. Vor allem aber beeindrucken surrealistische Science-Fiction-Szenen, die von rätselhaften kosmischen Abenteuern berichten.
Übrigens: in der Art ihrer „Mittei­lun­gen“ sind sich die Richter-Bilder allen Veränderungen zum Trotz gleich geblieben. Nach wie vor künden sie von Schönheiten und Bedrohungen, ihr Glanz kann Morbidität nie ganz verdecken.“
Arbeiten, um ein Werk zu hinterlassen!
Es ist ein wahrhaftig gelungenes Konzept gewesen, dem Richter treu geblieben ist.
Zahl und Orte der vielen von ihm beschickten Ausstellungen sprechen für sich:
Bamberg, Bayreuth, Bonn, Graz, Haarlem, München, Selb, Pardubice, Veszprem in Ungarn, Budapest, Nürnberg und Würzburg.

Richters Werke sind vertreten in staatlichen und privaten Sammlungen in Europa, Süd- und Nordamerika sowie in Ostasien und Afrika.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein Redner, der das Ende seiner Ausführungen nicht finden kann, war mir immer schon ein Ärgernis.
Drum will ich Sie nun entlassen zur Betrachtung der hier ausgestellten wunderbaren Arbeiten – nicht aber, ohne Ihnen doch noch eine kleine Handreichung mit auf den Weg zu geben:
Peter J. Osswald von der Casino-Galerie der BAT Bayreuth weiß sehr wohl um die Schwierigkeit der Annäherung an die Richterschen Exponate.
1988 schreibt er:
„… den Zugang zur lyrisch-expressiv und mystisch geprägten Bilderwelt ungemein erleichtern können jene Arbeiten, die sich im Grenzbereich der Aussage bewegen, wobei es meines Erachtens unerheblich ist, ob man sie als stark stilisierte realistische Darstellungen betrachtet oder als abstrakte mit gegenständlichen Einschlüssen.“

Walter Wienands, redaktioneller Mitarbeiter beim Schwarzenbacher Amtsblatt, philosophierte 1972:
„Was er sich wohl denkt, der Alfred? Denken? Denken, sich hineindenken soll der Beschauer!
Dazu fordert seine Farbspielerei heraus, sie zwingt gerade dazu.“

Und an anderer Quelle, deren Herkunft nicht mehr erinnerlich ist, habe ich gefunden:
„Alfred Richter schenkt nichts!“

Und nun wirklich zu allerletzt:
Sie werden sich vielleicht schon gefragt haben, was es mit den keramischen Arbeiten in dieser Ausstellung auf sich haben könnte.
Frau Muck, die Tochter des Künstlers hat um diese Objekte gebeten.
Es handelt sich dabei um Arbeiten des „Ateliers Scherdel“ aus der frühen Zeit der Ausstellungen „Schwarzenbacher Maler“.
Und da sind wir wieder bei dem Kurator Alfred Richter angelangt, der die zur Ausstellung angelieferten Keramiken, alles liebevoll begutachtend, mit dem sicheren Griff des Werbefachmannes zu einem präsentablen Ganzen ordnete. Es ist wohl kein Stück dabei, das er nicht in der Hand gehabt hätte!

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

Hans- Eckart Scherdel (im Juni 2017)



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